„Remember 90s Rave Culture Open Air“

Zwischen Aufbruch und Abwicklung – Die 90er in Leipzig

Montag, 9. Oktober 1989 um 16.15 Uhr im Erdgeschoss des Uni-Seminargebäudes am Leipziger Augustusplatz:. Gespannt und gebannt beobachteten wir, was direkt vor unserem Fenster geschah. Das kannte ich biser nur aus Filmen. Im echten Leben, im DDR-Alltag, habe ich das noch nie gesehen: Bis an die Zähne mit Helmen und Schildern geschützte Polizisten marschierten draußen in einer engen Reihe vor uns auf. Nur eine Wand trennte uns von Knüppeln und Gewehren. „Unter diesen Umständen kann ich nicht weiter unterrichten“, sagte unser Dozent beklommen und beendete die Lehrveranstaltung mit den Worten. „Sehen Sie zu, dass Sie so schnell wie möglich die Innenstadt verlassen“.

In unserem Studentenwohnheim versammelten sich alle, die an diesem Tag schon keine Lehrveranstaltungen mehr hatten. Jeder weitere Ankommende wurde befragt, was in der Innenstadt geschah. Wir waren so aufgewühlt, dass wir uns auf Hausaufgaben eh nicht konzentrieren konnten.

Der 9. Oktober 1989 und die weiteren Ereignisse sind Geschichte. Jener Zeit der Friedlichen Revolution und dem darauffolgenden Jahrzehnt widmet sich die Sonderausstellung „Zwischen Aufbruch und Abwicklung. Die 90er in Leipzig“. Wie erlebten die Leipziger die neugewonnene Freiheit und die neuen Herausforderungen, Freude über Läden voller Westwaren und uneingeschränkte Reisemöglichkeiten einerseits und nie gekannte Existenzängste wegen Arbeitslosigkeit dank Betriebsschließungen und -abwicklungen andererseits? Demonstrationen für Freiheit wichen Demonstrationen für der Arbeitsplätze. Die Menschen mit vollkommen unbekannte Zukunftsperspektiven, Chancen und Risiken.

Junge Unternehmen, Initiativen und Start-up schossen wie Pilze aus dem Boden. Das alles fand seinen Ausdruck im Slogan „Leipzig kommt“. Die wundervollen Altbausubstanz wurde saniert, die Neue Messe, neue Wohnungen, Sport- und Kulturstätten wurden gebaut.

Und die Musik von damals? Rave, Techno, House. Dank der neuen Freiheit entwickelte sich in den folgenden Jahren eine lebendige Club-Szene, die Leipzig und Ostdeutschland auf besondere Weise prägte. In leergewordenen Industriebauten fand die neue Musikkultur ihr Zuhause.

Event Remember 90s Rave Culture Open Air“

Ein Open Air-Rave-Event am 15. August 2025 gilt als ein besonderes Highlight der Sonderausstellung »Zwischen Aufbruch und Abwicklung. Die 90er in Leipzig“, die noch bis zum 07.09.2025 im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig präsentiert wird.

Der Vortrag »Zwischen Ekstase und Verdrängung – die Leipziger Techno-Szene von 1992 bis heute« beschreibt, wie sich die Leipziger Clubkultur damals entwickelt hat. Es bleibt aber nicht bei theoretischer Betrachtung. Anschließend können die Besucher praktisch in Erinnerungen schwelgen und feiern wie in den 90ern, zu Trance, House und Techno. Damalige Studenten in Leipzig erinnern sich an die „Destille“, also die „Distillery“, einen der ältesten Techno-Clubs in Deutschland. Aufleben werden hier auch „Basis Leipzig“, die »Opera Dancehall« und im »JAM«, gemeinsam mit (ehemaligen) Leipziger DJs und Acts aus der heutigen Leipziger Club-Szene.

Zwischen 16 – 22 Uhr kann aber kann nicht nur zugehört und getanzt, sondern auch gesehen und angeschaut werden: Plakate, Filmmaterial, Vinyl von Techno-Labels aus einer privaten Sammlung und sogar Stahltür und Tresen der ehemaligen »Distille“. Somit wird die Clubszene am 15. August nochmals gehörig gefeiert und all die Entwicklungen der 90er Jahre erwachen in dieser Ausstellung noch einmal zum Leben. 

Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig

Das Museum entstand auf Initiative Leipziger Bürgerinnen und Bürger aus dem 1867 gegründeten Leipziger Geschichtsverein. 1909 fanden seine Sammlungen im Alten Rathaus ihr ständiges Zuhause. Seine Sammlung umfasst rund 600.000 Objekte zur Stadt- und Landesgeschichte, aus Volkskunde und Alltagskultur, zu Kunsthandwerk, aus der Musik- und Theatergeschichte, aus der Frühgeschichte, Münzen und Militaria.  

Dank seiner Herkunft besteht immer noch eine enge Verbindung des Museums zu den Bewohnern der Stadt. Viele von ihnen unterstützen das Museum auf verschiedene Art und Weise, auch ehrenamtlich. Zu den Engagierten zählen der Förderverein des Museums, die Hieronymus-Lotter-Gesellschaft, die Fördervereine des Völkerschlachtdenkmals und Sportmuseums, die ehrenamtlichen Besucherbetreuer und viele andere. Das

Das Museum unterteilt sich in verschiedene Häuser: Altes Rathaus, Haus Böttchergäßchen, das Schillerhaus, das Völkerschlachtdenkmal und FORUM 1813, Sportmuseum, Kindermuseum, Capa-Haus, Alte Handelsbörse und das jüngst wieder eröffnete Museum Zum Arabischen Coffe Baum. Dieses befindet sich einem der ältesten Kaffeehäuser Europas, in dem auch heute noch leckere Kaffeespezialitäten mit Torten, Kuchen und Geschichten rund um den Kaffee genossen werden können.

Ach ja, in der Dauerausstellung „Moderne Zeiten“, in der 2. Etage des Alten Rathauses, habe ich jene „Herr-Schaften“ mit Schild und Knüppel, die mir vor dem Fester unseres Seminarraumes an jenem 9. Oktober 1989, begegnet waren, wiedergesehen. So werden Erinnerungen wach. Auch Deine?

Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag, Feiertage 10–18 Uhr, 24.12. und 31.12. geschlossen

Sonderausstellung »Zwischen Aufbruch und Abwicklung. Die 90er in Leipzig“ noch bis 07.09.2025

Fotos: Beate Paschke und Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Museums)

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